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Betroffene wurden nach wie vor nicht gebührend einbezogen


Interview auf Taeglich.me | Der Vorstand der Werbegemeinschaft Mettmann-Impulse äußert sich zu den Themen Netztrennung, Verkehrsentwicklungsplan sowie Jubiläumsplatz.

 

Das Interview führte Philipp Nieländer

 

 

 

 

Eigentlich hätte der Stadtrat in der vergangenen Woche über einen so genannten Ratsbürgerentscheid in Sachen Netztrennung abstimmen sollen. Doch dann hat die Fraktion „Bürger für Mettmann“ in der Sitzung ihren Antrag zurückgezogen (Taeglich.ME berichtete). Darüber und über das Verkehrsgutachten, das nun vorgestellt wurde, sprachen wir mit Axel Ellsiepen, Ingo Grenzstein und Jens-Christian Holtgreve von Mettmann Impulse. Der Vorstand der Werbegemeinschaft begrüßt die „Verschiebung“ des Antrags.

 

Mettmann Impulse hat in den letzten Wochen rund 3500 Unterschriften von Bürgern gesammelt, die sich für ein Votum per Bürgerentscheid ausgesprochen haben. Ist die Rücknahme des BfM-Antrags tatsächlich eine Ohrfeige gegen diese Bürger, wie nach der Ratssitzung zu lesen war?

Ingo Grenzstein: Wir möchten uns ausdrücklich bei den Bürgern für ihre Unterschrift bedanken. Die große Menge signalisiert uns, dass sich die Bürger an der Diskussion zu den elementaren einschneidenden Baumaßnahmen in der Innenstadt beteiligen möchten und eine eigene Meinung haben – unabhängig ob Pro oder Contra. Wir sehen die Verschiebung des Antrags nicht als eine „Ohrfeige“ gegen die Unterschriftengeber. Im Gegenteil. Durch die neuesten Entwicklungen wird hier nun endlich eine Chance eröffnet, die unterschiedlich diskutierten Modelle zu bewerten und über den sinnvollsten Weg abzustimmen oder zumindest den Entscheidern eine Orientierung zu geben.

 

Warum war die Verschiebung des Antrags richtig?

Axel Ellsiepen: Eine Ablehnung wäre mehr als wahrscheinlich gewesen, so wie sich einige Fraktionen teilweise in ungebührlicher und hämischer Weise dazu geäußert haben. Damit wären zum jetzigen Zeitpunkt die gesammelten Unterschriften einfach nur „verschenkt“ worden, was dem berechtigten Interesse der Bürger nach Mitbestimmung nicht gerecht würde. Es liegt nicht in unserem Interesse, mit der Unterschriftensammlung und dem daraus resultierenden Antrag auf Bürgerentscheid, die ablehnenden Ratsmitglieder bloßzustellen und Ihnen damit Interesselosigkeit an der Bürgermeinung zu unterstellen.

 

Sondern…?

Jens-Christian Holtgreve: Wir haben uns zu dieser Unterschriftensammlung veranlasst gesehen, weil uns und den Händlern der Innenstadt eine massive und äußerst kontrovers geführte Diskussion der Bürgerschaft entgegenschlägt, bei der man merkt, dass sich vielen Bürger die Sinnhaftigkeit einer totalen Netztrennung, ohne mögliche Alternativen zu berücksichtigen, entzieht.

 

Welche Alternative schlägt Mettman-Impulse vor?

Ingo Grenzstein: Wir haben seit Beginn der Diskussion, also bereits mit Vorstellung des Verkehrskonzeptes Mitte 2015, vorgeschlagen, eine deutliche Verkehrsreduzierung mittels eines zweistufigen Plans durchzuführen, um nach und nach die Auswirkungen zu beurteilen, die so genannten Probephasen. Dies wurde vom Rat mehrheitlich abgelehnt. Unter anderem auch beeinflusst durch den Hinweis der Verwaltung, dass es mit den Baumaßnahmen auf der Breite Straße sinngemäß eine Art „Probephase“ gäbe, in der die Innenstadt baubedingt gesperrt würde. Man könne dann immer noch sehen und beurteilen, wie die Bürger die „Trennung“ annehmen und welche wirtschaftlichen Auswirkungen zum Tragen kommen.

 

Wenn die Diskussion doch schon so lange andauert – warum erst jetzt die Unterschriftensammlung – und nicht direkt 2015 vor einer Entscheidung der Politik?

Axel Ellsiepen: Einerseits erkennen die Bürger erst jetzt – sozusagen im Ernstfall – was es bedeutet, diverse Umwege fahren zu müssen. Andererseits wird durch diverse Verlautbarungen der Verwaltung mittlerweile klar, dass es sich nicht – wie angekündigt – um eine Probephase handelt, sondern es sei alles bereits unveränderbar beschlossen und Aufträge vergeben. Damit wurden – nicht mehr zu diskutierende – Tatsachen geschaffen.

 

Jens-Christian Holtgreve: Zudem wurden die eigentlich Betroffenen, Bürger sowie Händler, in den bisherigen Entscheidungen nach wie vor nicht gebührend und ausreichend mit einbezogen. Das, was uns die Verwaltung als Bürgerbeteiligung in dem Entscheidungsprozess der letzten Monate und Jahre „verkauft“, werten wir nicht als „echte“ ernstzunehmende Beteiligung, lediglich vereinzelt als Bürgerinformationen, bei denen bereits festgelegte Vorgehensweisen vorgestellt und Vorschläge aus der Bürgerschaft teils lapidar als „nicht möglich“ abgehandelt werden.

 

Ihre Kritik richtet sich also auch gegen die Verwaltung?

Ingo Grenzstein: Nach unserer Ansicht hat sich auch die Verwaltung in ihrer Erläuterung zu dem Antrag in einer unverhältnismäßigen Art geäußert und zudem bewusst Unwahrheiten gestreut. Obwohl im Gemeinderecht ausdrücklich verankert, stellt die Verwaltung die Sinnhaftigkeit des Antrages in dieser Angelegenheit in Frage. Weiterhin spricht die Verwaltung den nahezu 3.500 Bürgern, die sich mit ihrer Unterschrift für eine direkte Beteiligung in dieser Frage ausgesprochen haben, Kompetenz und Verantwortungsbereitschaft ab und sieht gar die „repräsentative Demokratie“ erheblich beeinträchtigt. Das stellt unseres Erachtens eine politische Beeinflussung der Ratsmitglieder durch die Verwaltung dar, die ihr nicht zusteht.

 

Die Verwaltung schreibt auch, dass die Entscheidungsfindung durch den entsprechenden politischen Beschluss bereits abgeschlossen sei …

Axel Ellsiepen: Es ist aus unserer Sicht mitnichten so, dass die Entscheidungsfindung abgeschlossen ist. Nicht nur in der besagten Sitzung selbst hat die CDU-Fraktion sinngemäß erklärt, dass im Herbst einige Zwischenergebnisse des Verkehrsentwicklungsplans vorgestellt würden und demnach evtl. noch Diskussionsbedarf über mögliche Varianten besteht. Am 19. Juni hat die langjährige CDU-Fraktionsvorsitzende und jetzige stellvertretende Bürgermeisterin Ute Stöcker im Taeglich.ME-Interview erklärt:  „Hier haben wir als Politik einen entscheidenden Fehler gemacht – und zwar, uns vom Detail in der Mitte nach außen vorzuarbeiten. Es wäre besser gewesen, erst das Verkehrsgutachten abzuwarten und auf dieser Basis Entscheidungen zu treffen. Erst Tatsachen zu schaffen und dann das große Ganze zu betrachten, war falsch.“ Das sehen wir ebenfalls so und haben dies auch schon vor der aus unserer Sicht voreiligen politischen Entscheidung zur Netztrennung im September 2016 mehrfach kritisch angemerkt. Hier wurde der dritte Schritt vor dem ersten gemacht.

 

Jens-Christian Holtgreve: Zudem völlig ungeklärt ist der Schwebezustand der vom Ministerium zurückgenommenen Förderzusage für die Baumaßnahme Jubiläumsplatz/Schwarzbachstraße. Dies ist der Verwaltung seit Mitte April nachweislich bekannt. Wir können es nicht nachvollziehen, dass der Bürgermeister 14 Tage später in einer Stellungnahme wissentlich die Unwahrheit sagt, da er nach wie vor behauptet, der Entscheidungsfindungsprozess sei abgeschlossen und die entsprechenden Aufträge wurden vergeben und damit zu dem Zeitpunkt – wohl wissend, dass es eine Förderrücknahme gibt – die Bürger durch Nichtinformation fälschlicherweise in der Gewissheit belässt, es könne nichts mehr geändert werden. Mittlerweile wurde zwar von der Verwaltung ein „Tauschgeschäft“ mit der Baumaßnahme Bismarckstraße ins Spiel gebracht, aber bis zu einer Klärung der Fördersituation ist damit erst einmal die geplante Umbaumaßnahme Jubiläumsplatz/Schwarzbachstraße in Frage gestellt und damit nach wie vor offen.

 

Also sollte man einfach alles so lassen, wie es ist?

Ingo Grenzstein: Es liegt nicht in unserem Interesse, die Verkehrsverhältnisse „einfach nur so zu belassen“. Uns fehlt lediglich eine vernünftige Auseinandersetzung mit möglichen Alternativen, die es unserer Ansicht nach – trotz wiedersprechenden Aussagen von Verwaltung und Ratsmitgliedern – nicht wirklich gegeben hat. Zudem müssen wir feststellen, dass sich bei den Planungen durch ein „blindes Hineinmarschieren“ an anderen Stellen große Verkehrsprobleme ergeben, über die man erst im Nachhinein nachdenken will.

 

Kritik gibt es von Mettmann-Impulse ja auch beim Thema Jubiläumsplatz …

Axel Ellsiepen: Ja, denn auch dort stellen wir in der Tat eine Konzeptlosigkeit fest. Anstatt angeregt durch die Ideenwerkstatt, die übrigens laut Plan des Integrierten Handlungskonzeptes zwei Jahre zu spät erfolgte – ein ausgereiftes visionäres Konzept zu entwickeln, die betroffenen Händler mit ins Boot zu holen und mit geeigneten Wirtschaftsförderungsmaßnahmen drohenden Umsatzverlusten entgegenzuwirken, wird nun mit der Errichtung eines reinen „Busbahnhofes“ die Platzsituation nach wie vor durchschnitten. Das ist nicht konsequent.

 

Ein Vorschlag von Mettmann-Impulse war ja, zumindest die Zufahrten zu den Parkhäusern aus Richtung Johannes-Flintrop-Straße zu ermöglichen …  

Jens-Christian Holtgreve: Ja, es wäre unserer Meinung nach weiterhin möglich, durch geschickte Verkehrsführung zumindest Zufahrten über den Jubiläumsplatz zu den Parkhäusern zuzulassen und trotzdem die Durchfahrt zu beschränken – ohne baulich etwas an den momentanen Plänen zu ändern. Insgesamt regen wir an, erst einmal die Verkehrsentwicklung zu beobachten und zu schauen, wie sich unter diesen Voraussetzungen die Verkehrsströme entwickeln und beispielsweise die Johannes-Flintrop-Straße versuchsweise als weitere Option des abfließenden Verkehrs offen zu halten, damit die übrig gebliebenen Umgehungsstraßen, also die Nordstraße, die Berliner Straße soiwie das Bermudadreieck, also Lutterbecker-, Eich- und Düsseldorfer Straße keinen Verkehrskollaps erleiden.

 

Genau das ist ja auch Thema im Verkehrsentwicklungsplan, der im Entwurf Anfang der in der vergangenen Woche vorgestellt wurde.

Ingo Grenzstein: Der Verkehrsentwicklungsplan bietet Chancen. Die wenigen Simulationen hatten stets die Netztrennung als Voraussetzung. Aus unserer Sicht wäre es sehr interessant zu erfahren, wie sich die Verkehrsströme entwickeln, wenn jeweils nur eine der beiden Stellen, die momentan für ein Durchfahrtsverbot vorgesehen sind, eingerichtet würden. Zusätzlich unter der Voraussetzung, dass über einen verkehrsberuhigten Jubiläumsplatz eine Tempobeschränkung von 7 km/h gälte. Oder wenn man von allen Seiten nur eine Zufahrt zu den beiden Parkhäusern zuließe ohne die weitere Durchfahrt zu erlauben. Die interessanteste und zugleich überraschendste Zahl in diesem Zusammenhang ist, dass es scheinbar nur 15 Prozent Durchgangsverkehr gibt, und demnach 85 Prozent Quell- und Zielverkehr. Dem Umstand, dass die Bürger innerhalb Mettmanns nicht nur von A nach B fahren, sondern scheinbar ihrem „Einkaufszettel“ folgend mehrere Stationen nach und nach anfahren, muss Rechnung getragen werden.

 

„Rechnung tragen“ heißt in diesen Fall was genau?

Axel Ellsiepen: Eine „Umerziehung“ kann nur schwerlich erfolgen. Zu große Umwege sind zwar möglich, bedeuten allerdings insgesamt für Mettmann längere Verkehrsstrecken, höhere Abgasemissionen und steigende Kosten.
 Es droht die Gefahr, dass sich ein gewisser Prozentsatz der bisherigen Konsumenten und Innenstadtbesucher anderweitig in Nachbarstädte orientieren.

Weitere Faktoren müssen berücksichtigt werden. Da der Verkehrsentwicklungsplan, wie der Name schon sagt, lediglich die Verkehrsströme unter bestimmten baulichen Voraussetzungen bzw. Sperrungen prognostiziert, ist es im Sinne einer prosperierenden Innenstadt erforderlich, weitere Faktoren zu berücksichtigen, wie z. B. Einkaufsverhalten bei bestimmten Verkehrssituationen. Hierzu böte eine Bürgerbefragung eine weitere wichtige Orientierung, gerade wenn nach Vorliegen der Ergebnisse des Verkehrsentwicklungsplans im Frühjahr 2018, mögliche Varianten neu diskutiert werden, wie einige Ratsfraktionen bereits angekündigt haben.